Neubesetzung der EU-Spitzenpositionen: Wie funktioniert die EU?

In der vergangenen Woche ging es oft darum, dass jetzt nach der Europawahl Anfang Juni viele wichtige Posten innerhalb der Europäischen Union je nach Stimmanteilen neu besetzt werden könnten und oft auch neu besetzt werden. Wir erläutern zuerst, wie das System EU funktioniert und geben dann einen Ausblick auf mögliche Kandidaten für die Ämter.

Wie arbeitet die EU?
Die Europäische Union, abgekürzt EU, besteht im Wesentlichen aus fünf Organen. Zuerst gibt es das Europäische Parlament, das von den europäischen Bürgerinnen und Bürgern vor Kurzem bei der Europawahl gewählt wurde. Das Parlament hat 705 Mandate, also Sitze; 96 davon entfallen auf Deutschland. Damit besitzen die deutschen Abgeordneten von allen vertretenen Staaten die meisten Sitze. Das EU-Parlament beschließt Gesetze, ist in der Staatstheorie also die Legislative (gesetzgebende Gewalt). Das Parlament sitzt in Straßburg in Frankreich.
Außerdem gibt es den Europäischen Rat. Der Name klingt so ähnlich wie der des Rates der EU, das ist allerdings ein anderes Gremium. Mehr dazu unten. Der Europäische Rat besteht aus den Staats- und Regierungschefs der einzelnen Mitgliedsländer der EU. Der Europäische Rat hat seinen Sitz in Brüssel und darf keine Gesetze erlassen, allerdings kann er Empfehlungen für Beschlüsse an das EU-Parlament aussprechen.

Leicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat, weil sich der Name ähnlich anhört, ist der Rat der EU. Im Gegensatz zum Europäischen Rat, in dem die Regierungschefs der Länder sitzen, hat der Rat der EU von seinem Sitz in Brüssel aus ebenfalls wie das Parlament eine gesetzgebende Gewalt. Im Rat der EU sitzen die Minister für spezielle Themengebiete der Mitgliedsstaaten. Je nach Thema kommen also beispielsweise die Finanz- oder Umweltminister zusammen. Daher heißt der Rat der EU auch Ministerrat.

Für die Umsetzung der Beschlüsse, auch Exekutive genannt, ist die Europäische Kommission verantwortlich. Die Kommission kann auch Gesetze vorschlagen, vor allem ist sie aber für die Erstellung von Gesetzesentwürfen zuständig, wozu das Parlament sie auch auffordern kann. In der EU-Kommission sitzt für jedes Mitgliedsland eine Kommissarin oder ein Kommissar. Die Kommissare werden vom Europäischen Parlament demokratisch bestimmt. Als Vorstand der EU-Kommission ist der Kommissionspräsident oder die Kommissionspräsidentin. Jeder Kommissar hat ein bestimmtes Aufgabengebiet, Entscheidungen werden allerdings gemeinsam getroffen. Anders als im EU-Parlament, dem Europäischen Rat und dem Rat der EU sollen die einzelnen Kommissare in der EU-Kommission nicht die Interessen der Länder vertreten, für die sie gewählt wurden, sondern gemeinschaftlich die Ziele Europas vertreten. Im Fall, dass Entscheidungen von Mitgliedsländern nicht eingehalten werden, kann die Europäische Kommission von ihrem Sitz in Brüssel aus auch Sanktionen verhängen.

Wenn Gesetze beschlossene Gesetze nicht eingehalten werden, tritt der Europäische Gerichtshof in Erscheinung. Jedes Mitgliedsland entsendet einen Richter in den Europäischen Gerichtshof. Dieser kann bei Nichteinhaltung von EU-Gesetzen sowie bei Streitigkeiten unter den Mitgliedsstaaten eingreifen und sorgt für eine einheitliche Auslegung des EU-Rechts.
Welche Ämter werden neu besetzt und von wem?
  • Quelle: www.faces-of-democracy.org

In der Reihenfolge des Erscheinens: Ursula von der Leyen, Charles Michel, Josep Borrell und Roberta Metsola

Konkret geht es bei den „Spitzenpositionen“ um den Kommissionspräsidenten, den Präsidenten des Europäischen Rats, den Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und das Amt des EU-Parlamentspräsidenten. Präsidentin der EU-Kommission war bisher Ursula von der Leyen, die auch weiterhin das Amt ausüben möchte. Von der Leyen erntete erst kürzlich Kritik dafür, dass sie auch Wahlbündnisse mit der italienischen Partei Lega Nord eingehen wollte, die als rechtskonservativ bis rechtspopulistisch eingestuft wird. Die europäische Politik ist sich zwar weitgehend einig über von der Leyen, allerdings gibt es Unklarheiten bezüglich der anderen Positionen.
Der belgische Politiker Charles Michel war bisher EU-Ratspräsident. Nun soll dieses Amt der Portugiese António Costa ausüben, allerdings gibt es Einspruch aus der Fraktion der Europäischen Volkspartei EVP, zu der unter anderem die deutsche CDU/CSU gehört. Diese möchte Costa nur für zweieinhalb statt fünf Jahre als Präsident des Europäischen Rates. Offizielle dauert eine EU-Ratspräsidentenamtszeit auch nur zweieinhalb Jahre, meistens bleibt der- oder diejenige aber fünf Jahre im Amt. Danach soll nach Meinung der EVP der kroatische Premierminister Andrej Plenković EU-Ratspräsident werden.

Neben von der Leyen und Michel waren bisher Josep Borrell als Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Roberta Metsola als Parlamentspräsidentin des Europäischen Parlaments eingesetzt. Außenbeauftragte werden könnte die estnische Premierministerin Kaja Kallas, denn aus Osteuropa kommen wenige wichtige EU-Funktionäre. Metsola, die Mitglied der EVP ist, könnte Parlamentspräsidentin bleiben.