Was erwartet Europa, wenn Trump oder Harris Präsident:in wird?

Die bevorstehende Wahl in den USA sorgt in Europa für viel Aufmerksamkeit. Die Vereinigten Staaten sind eine der größten Wirtschaftsmächte der Welt und spielen eine wichtige Rolle in der Verteidigung Europas. Aber was passiert mit dieser Partnerschaft, wenn entweder Donald Trump oder Kamala Harris das Präsidentenamt übernimmt? Welche Herausforderungen und Möglichkeiten kommen auf Europa zu?

Was bedeutet eine Trump- oder Harris-Präsidentschaft für die Sicherheit in Europa?

Wenn Donald Trump Präsident wird, könnte das Auswirkungen auf die NATO haben, das wichtigste Verteidigungsbündnis Europas. Die NATO (Nordatlantikpakt) ist eine Allianz von 31 Ländern, die sich gegenseitig im Fall eines Angriffs schützen. Trump hat im Wahlkampf angekündigt, dass die europäischen NATO-Partner:innen mehr für ihre Verteidigung zahlen sollen, und sogar angedeutet, dass die USA sich aus der NATO zurückziehen könnten, wenn sie das nicht tun. Dies würde den sogenannten NATO-Beistandspakt infrage stellen, der besagt, dass alle Mitglieder sich gegenseitig verteidigen.

Kamala Harris, die demokratische Kandidatin, hat hingegen mehrfach betont, dass sie die NATO weiterhin unterstützen will. Für Europa ist das eine beruhigende Botschaft. Dennoch rät der NATO-Generalsekretär Mark Rutte zur Ruhe und betont, dass man sich keine großen Sorgen machen müsse. Auch während Trumps erster Amtszeit von 2017 bis 2021 blieb die NATO stabil, obwohl er sie zeitweise als „überholt“ bezeichnete. Rutte ist zuversichtlich, dass ein konstruktiver Dialog mit einem möglichen Präsidenten Trump erneut gelingen könnte.

Sollten die europäischen Länder mehr in ihre Verteidigung investieren?

Egal, ob Trump oder Harris gewinnt – wahrscheinlich wird Europa mehr Geld für Verteidigung ausgeben müssen. Die USA fordern bereits seit einigen Jahren, dass alle NATO-Mitglieder mindestens zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aufwenden. Das betrifft vor allem Länder wie Deutschland, das bisher nur knapp dieses Ziel erreicht. Der wachsende Bedarf an Verteidigungsausgaben ist vor allem aufgrund der Bedrohungen durch Russland wichtig, das in den letzten Jahren immer aggressiver aufgetreten ist. Die EU-Kommission, die die politische Zusammenarbeit der 27 EU-Mitgliedsstaaten organisiert, schätzt den Investitionsbedarf für Verteidigung auf rund 500 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren.

Diese Ausgaben könnten jedoch auch Chancen mit sich bringen: Höhere Verteidigungsausgaben bedeuten, dass Europa unabhängiger und selbstständiger agieren kann. Indem Europa in seine Verteidigung und Technologien investiert, entstehen auch neue Arbeitsplätze und Innovationschancen.

Europa in einer Welt, die sich verändert

Ob Trump oder Harris gewinnt – die USA werden vermutlich weiter den Fokus auf die Rivalität mit China richten. Die EU wird sich daher vermehrt eigenständig aufstellen müssen und ihre Rolle in der Welt eigenständig gestalten. Viele Diplomaten und Politiker:innen sehen darin eine Chance: Europa könnte als eigenständiger und starker Akteur auf der Weltbühne auftreten und sich unabhängiger von den USA machen. Der bisherige EU-Ratspräsident Charles Michel, der die Treffen der Regierungschef:innen der EU-Staaten organisiert und koordiniert, sagt dazu: „Ich möchte nicht, dass meine Kinder davon abhängig sind, wer der nächste Präsident der USA oder Chinas ist.“ Damit appelliert er an die Europäer:innen, sich stärker von anderen Weltmächten zu lösen.

Zusammen für ein starkes Europa: Chancen aktiv nutzen

Die Wahl in den USA könnte Europa also vor Herausforderungen stellen, bietet jedoch auch große Chancen für Eigenständigkeit und Zusammenhalt. Durch höhere Verteidigungsausgaben, verstärkte Zusammenarbeit und neue Partnerschaften könnte Europa eine stärkere Rolle in der Weltpolitik einnehmen. Damit Europa diese neuen Möglichkeiten nutzen kann, ist vor allem ein geeintes Handeln gefragt. Europa kann sich zu einer Gemeinschaft entwickeln, die nicht nur auf die Politik anderer Länder reagiert, sondern selbst aktiv die Weltpolitik mitgestaltet.